Gedenkkultur
Stolpersteine erzählen
Zehn sogenannte Stolpersteine – eine mittlerweile in 29 Ländern umgesetzte Idee des Kölner Künstlers Gunter Demnig – sind in Frohnleiten wichtige Bestandteile der Gedenkkultur. Sie erinnern an jüdische Mitbürger:innen, die zu Opfern des Nationalsozialismus wurden.
In Erinnerung an:
- Die berühmte Fotografin Madame D’Ora, die unter diesem Künstlernamen europaweit zum Star ihrer Kunst geworden ist. Dem Ort Frohnleiten war sie als Dora Kallmus gemeinsam mit ihrer Schwester Anna verbunden.
- Die Kaufmannsfamilie Moritz Weinberger, die mit ihrem Gemischtwarenhandel am Hauptplatz jahrzehntelang die Menschen versorgt hatte.
- Der Arzt Samuel Weiss und seine Frau Katharina, die dem Markt im frühen 20. Jahrhundert mit dem „Sanatorium Austria“ eine Blüte als Kurort ermöglichten.
Die berühmte Fotografin und ihre Schwester
Dora und Anna Kallmus
Madame D’Ora hat in der Fotografie Geschichte geschrieben: Sie ist 1905 als erste Frau Mitglied in der „Kaiserlich-Königlichen Photographischen Gesellschaft“ geworden. Zur Berühmtheit ihrer Zeit wurde sie mit Porträtaufnahmen großer Persönlichkeiten der Wiener Kulturszene, wie etwa Alma Mahler-Werfel, Arthur Schnitzler und Gustav Klimt. 1925 zog sie nach Paris, wo sie unter anderen Maurice Chevalier, Josephine Baker, Pablo Picasso, Marlene Dietrich und Coco Chanel ablichtete und für die ganz großen Modemarken arbeitete.
1940, nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, konnte sie sich in Südfrankreich verstecken. Ihre Schwester Anna hatte im 1919 gemeinsam erworbenen Haus in der Dr.-Ammannstraße 7 in Frohnleiten gelebt. Sie konnte nicht mehr rechtzeitig fliehen und wurde 1944 ermordet. Von einem schweren Autounfall gezeichnet, kehrte Dora Kallmus in den späten 1950er Jahren nach Frohnleiten zurück und starb 1963. Ihre sterblichen Überreste wurden 2019 vom Ortsfriedhof Frohnleiten auf den Jüdischen Friedhof Graz überführt, wo Madame D’Ora ein Ehrengrab bekam. Man hat beiden Schwestern je einen Stolperstein gewidmet.
DER ARZT UND BESITZER DES "SANATORIUM AUSTRIA"
Samuel Weiss und seine Frau Katharina
Ebenfalls je einer erinnert an den Wiener Arzt Samuel Weiss und seine Frau Katharina. Sie erwarben 1918 das als Wasserheilanstalt geführte „Sanatorium Austria“ im heutigen Rathaus der Stadtgemeinde Frohnleiten und führten es weiter. Diese Gesundheitseinrichtung hat wesentlich dazu beigetragen, dass Frohnleiten damals auch als Kurort erfolgreich war. 1937 starb Samuel Weiss, ein Jahr danach seine Gattin. Besonders betroffen waren danach die Erben, denen die Konzessionsrechte entzogen und das Vermögen konfisziert worden ist
Der Kaufmann am Hauptplatz
Moritz Weinberger und seine Familie
Der jüdische Kaufmann Moritz Weinberger ließ sich mit seiner Frau und den sechs Kindern 1904 am Hauptplatz 45 in Frohnleiten nieder, mietete dort ein Geschäft und eine Wohnung. Die Weinbergers waren fortan für viele Frohnleitner:innen eine wichtige Adresse und man schätzte den Familienvater, der nach dem Tod seiner Gattin im Jahr 1931 allein für die Seinen sorgen musste. Nach dem „Anschluss“ im Jahr 1938 verloren die Weinbergers ihr Geschäft, der Vater starb bald darauf nach schweren Misshandlungen, die man ihm im Konzentrationslager Dachau zugefügt hatte.
Sohn Albert, zuletzt als Rechtsanwalt mit einem Berufsverbot belegt, blieb bis 1939 in Graz und half vielen Jüdinnen und Juden bei der Auswanderung. Er selbst konnte sich im letzten Moment – wie auch seine Geschwister – nach Palästina absetzen. Albert ist ein Stolperstein in der Grazer Herrengasse gewidmet, sechs weitere erinnern in Frohnleiten an die Familie Weinberger.
Die Stolpersteine wurden vom Verein für Gedenkkultur in Zusammenarbeit mit der Stadtgemeinde Frohnleiten verlegt. Die Aufarbeitung der jüdischen Schicksale lag in den Händen der Frohnleitner Historikerin Dr. Edda Engelke.